Immer dann, wenn sich die Wildcats etwas Besonderes vornehmen, kommt etwas dazwischen. Vor allem bei Spielen gegen Spitzenmannschaften der zweiten Handball-Bundesliga. Bei den Füchsen Berlin (2./19:34) gab es eine unerwartet deutliche Klatsche. Beim damaligen Spitzenreiter Sachsen Zwickau (3/28:28) verspielten sie eine klare Führung in letzter Minute. Und bei der 33:34 (16:18)-Niederlage am Sonnabend gegen den neuen Tabellenführer HSG Bad Wildungen ging von Beginn an alles schief. Kaum hatten die Berliner Schiedsrichter Martin Thöne und Marijo Zupanovic die Partie zwischen Union und dem Team aus Nordhessen angepfiffen, da streikte die elektronische Anzeige. Also Elektronik aus, Anzeige per Hand am Kampfrichtertisch. Aber nur drei Minuten, denn dann gab auch die wohl vor zehn Jahren zum letzten Mal beim Tischtennis oder Volleyball gebrauchte Handanzeige ihren Geist auf. Die Partie lief trotzdem weiter, aber die 300 Zuschauer hatten in den ersten 30 Minuten weder einen richtigen Überblick über den Spielstand noch über die Spielzeit. Und als der Hallensprecher zwei Siebenmeter-Tore von Linda Jäger ihrer Teamkollegin Jacqueline Hummel zusprach, war das Durcheinander komplett.

Trainer völlig überrascht

Wie sollten die Wildcats bei so viel Wirrwarr drumherum da auf dem Parkett den Durchblick behalten? Es war schwer. Zumindest in einer am Ende sogar spielentscheidenden Hinsicht fanden sie ihn in den gesamten 60 Minuten nicht. Bad Wildungens Kreisläuferin Tessa Cocx spielte mit den Wildcats Katz und Maus und steuerte 15 Tore zum Erfolg ihrer Mannschaft bei. Und weil das absehbar war, müssen sich die Wildcats den Vorwurf gefallen lassen, darauf nicht vorbereitet gewesen zu sein.„Ich hatte nicht gedacht, dass wir so gewaltige Probleme mit Cocx bekommen würden. Ich habe auch während des gesamten Spiels versucht, eine Lösung zu finden. Das ist mir nicht gelungen. Cocx war spielentscheidend“, musste Union-Trainer Michal Lukacin gestehen. Dabei hätte es wahrscheinlich nicht einmal eines eingehenden Videostudiums der 36-fachen holländischen Nationalspielerin bedurft. Schon der Blick in die aktuelle Torschützenliste, die 44 Treffer in fünf Spielen für die 30-Jährige ausweist, hätte ausgereicht, um zu wissen: Hier ist Gefahr im Verzug. Und ein Blick ins Internet zu Wikipedia hätte die Erkenntnis gebracht, dass es die Wildcats hier mit reichlich Erstliga-Erfahrung und mit einer zwei Mal als torgefährlichste Kreisläuferin der deutschen Eliteklasse geehrten Spielerin zu tun bekommen würden. Neun Mal schlug Cocx bereits bis zur Pause zu. Ihre Mitspielerinnen gerieten bis auf die vier Mal erfolgreiche Miranda Robben und die starke Schweizer Nationaltorhüterin Manuela Brütsch zu Statisten. Angesichts der schwachen Chancenverwertung der Wildcats war es eigentlich ein Wunder, dass sie zur Pause nur mit 16:18 im Hintertreffen lagen. Und weil die Unionerinnen auch im Angriff bei 1:1-Situationen an der Holländerin abprallten, änderte Lukacin in der Pause die Taktik. „Sucht mit mehr Dynamik den Abschluss aus dem Rückraum“, forderte er. Weil das aber nur Jacqueline Hummel (9 Tore) und Monic Burde (8) gelang, behauptete Bad Wildungen immer eine knappe Führung und schien beim 32:27 (54.) den Deckel bereits geschlossen zu haben.

Union stemmt sich gegen Pleite

Doch als ausgerechnet Cocx, die nach einem groben Foul an Monic Burde in der 45. Minute eigentlich Rot hätte sehen müssen, eine unberechtigte Zeitstrafe absaß, kamen die Wildcats zurück. Mit perfektem Positionsangriff und zwei tollen Kontertoren glichen Jacqueline Hummel, Burde und Elisa Möschter bis 1:31 Minuten vor ultimo zum 32:32 aus. In der Halle hielt es keinen Zuschauer mehr auf dem Sitz. Doch nur bis Cocx zurückkehrte, den letzten ihrer acht Siebenmeter verwandelte und 15 Sekunden vor Schluss den entscheidenden Pass auf Annika Busch zum 34:32 spielte. „Ich weiß nicht, wann ich einmal 15 Tore in einem Spiel erzielt habe. Das war vielleicht in der Mini-Jugend“, sagte die Holländerin später. „Für eine Kreisläuferin ist das schon ganz schön viel, glaube ich.“

Union: Mikszto, Voigt; J. Hummel 9, St. Hummel 4, Möschter 1, Kracht, Michel, Burde 8, Jäger 4/3, Grätz, Uhlig 1, Bolze 2, Stuparicova 4+

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung von Karl Ebert

Bild: Tessa Cocx (r.) teilt im Zweikampf gegen Jacqueline Hummel mächtig aus.  (BILD: Schulz)