Die schaurig eindringlichen Mundharmonika-Klänge, die der Hallensprecher während der Spielunterbrechung anderthalb Minuten vor der Schlusssirene einspielte, passten perfekt: Als die Filmmusik aus dem Western “Spiel mir das Lied vom Tod” verklungen war, trat die Mainzerin Lara Schmitt im Zweitliga-Spiel bei Union Halle Neustadt an die Siebenmeter-Linie – und raubte den Gastgeberinnen mit dem Tor zum 29:29 noch den Sieg. Union musste wieder einmal auf das so dringend benötigte Erfolgserlebnis verzichten. Nach vier Last-Minute-Niederlagen mit nur einem Tor Differenz und zwei Remis wieder kein Happy End im Millimeterentscheid. Ein bitterer Ausgang, denn die Gastgeberinnen hatten während der 60 Minuten fast immer vorn gelegen.

Elf Versuche, elf Treffer

Nachdem an diesem Samstagabend in der Uni-Halle alles vorbei war, herrschte deshalb nur noch Frust auf der Union-Bank. “Diese Mannschaft hätten wir schlagen müssen”, schimpfte Stefanie Hummel. Nicht nur müssen, sondern auch relativ problemlos können. Unionhat e dem Gegner den Punkt geradezu hinterhergeworfen, weil “wir zu unkonzentriert zum Schluss waren, wir haben uns einige Fehler erlaubt”, sagte Hummel und schloss sich da mit ein.

Dabei war die 20-Jährige die überragende Spielerin auf dem Parkett. Elf Versuche, elf Treffer – jeder Wurf saß. Schon nach 16 Minuten hatte die Kreisläuferin im Stile eines nimmermüden Duracell-Häschens sechs Tore erarbeitet. Dazu kamen zwei herausgeholte Zeitstrafen und ein ihr zugesprochener Siebenmeter. Eine Leistung, die auch Manager Frank Kastner nicht unkommentiert lassen wollte: “Stefanies Einstellung ist außerordentlich professionell. Nicht nur im Spiel, auch im Training. Sie gibt immer 100 Prozent.”

Auch Stefanies Zwillingsschwester Jacqueline ließ mehrmals ihr Können aufblitzen. Auf immerhin sechs Tore und sechs Torvorlagen brachte sie es. Dass es dennoch nicht zu einem doppelten Punktgewinn gereicht hat, lag diesmal an ihren Mitspielerinnen. Die meisten ließen genau das vermissen, was die Hummel-Schwestern auszeichnet: Selbstvertrauen. Durch die jüngsten Nackenschläge offenbar verunsichert, waren die Wildcats oft zu zaghaft bei ihren Würfen aufs Mainzer Tor, der Ball blieb immer wieder in der gegnerischen Deckung hängen oder landete am Pfosten.

So kam in einigen Phasen Unruhe auf und Mainz gelang es immer wieder, sich heranzukämpfen. Aus dem 4:2 (8. Minute) wurde ein 5:5 (11.) und dem 16:12 (29.) ein 21:21 (42.). Kurz darauf konnte Mainz sogar erstmals in Führung gehen (22:23 / 48.). Zwar glich Stefanie Hummel direkt wieder aus und legte noch zwei weitere Treffer nach. Und trotzdem reichte es am Ende nicht. Mit der Schlusssirene wuchtete ihre Schwester den Ball an die Latte.

Den Frust wollten die Hummel-Schwestern so schnell wie möglich wieder aus ihren Köpfen bekommen. Gleich nach Spielschluss fuhren sie mit ihren Eltern, die auf der Tribüne mitgefiebert hatten, in das heimatliche Leipzig. “Zu Hause werden wir sicher noch über das Spiel reden”, verriet Stefanie. Vergangenheitsbewältigung also mit Hilfe der Familie, in der mittlerweile alle Handball-Experten sind. Sie unterstützt die früheren Juniorennationalspielerinnen bei ihren großen sportlichen Zielen.

Trainer vertraut den Schwestern

Vor anderthalb Jahren sind die beiden Talente vom Erstligisten HCL nach Halle geschickt worden, um Spielpraxis zu sammeln. In ihrem ersten Zweitliga-Jahr hatten die beiden allerdings wenig Einsatzzeiten bekommen. Mittlerweile spielen sie fast immer durch. “Das ist meine Philosophie”, sagt Union-Trainer Michal Lukacin. Auch wenn so junge Spielerinnen noch nicht konstant Top-Leistungen bringen und man ihnen den einen oder anderen Fehler zugestehen muss, haben sie doch sein Vertrauen. “Zwei Jahre, denke ich, brauchen sie noch, dann können sie in der ersten Bundesliga mithalten”, schätzte der Coach ein. “Körperlich müssen sie noch zulegen, und ihnen fehlt es noch an Erfahrung. Die können sie bei uns sammeln.”

Quelle:Mitteldeutsche Zeitung

Stefanie Hummel (Foto: Thomas Zober)