Ab und zu, das gibt Sophie Lütke zu, ist ihr neues Amt eine Last. Dann, wenn sich ihr Temperament meldet. Wenn die Handballerin des SV Union Halle-Neustadt auch mal motzen möchte. Geht nicht mehr. „Als Kapitänin hast du die Pflicht, positiv zu bleiben, die anderen mitzuziehen“, sagt Lütke. „Das war schon eine Umstellung für mich.“ Aber eine, die die 29-Jährige bisher eindrucksvoll meistert.

So wie auch im Zweitliga-Heimspiel am Samstagabend. Als es beim überraschend mühevollen 33:27 gegen den Tabellenletzten Solingen-Gräfrath darauf ankam, ging das 1,65-Meter-Energiewunder entschlossen voran. Immer wieder zog Lütke zum Tor, erzielte Treffer um Treffer. Dass das weiter sieglose Schlusslicht dem weiter makellosen Tabellenführer aus Halle nur einen Schrecken einjagte und nicht noch mehr, war vor allem der Verdienst der Kapitänin. Am Ende kam Lütke, die das Amt im Sommer übernommen hat, auf 13 Tore, womit sie nun in sieben Spielen 60 Treffer erzielt hat. Die Ligabestmarke. „Das wusste ich gar nicht“, sagt die gebürtige Berlinern auf den Spitzenwert angesprochen. „Ich achte aber auch nicht auf solche Statistiken, es geht um das Team.“

Dass das Team aber von den Anführerinnen Lütke und der langjährige Nationalspielerin Saskia Lang abhängig ist, zeigte der Samstag erneut. Zwar hat der Erstliga-Absteiger bisher jedes Pflichtspiel gewonnen und harmoniert deutlich besser als in der Vorsaison, wo viele Spielerinnen für sich agierten. Dennoch ist das Team noch nicht am Optimum. Zu viele Schwächephasen erlauben sich die Wildcats, schaffen es zu selten, eine starke Offensive und eine starke Defensive zugleich zu zeigen. So ließen die Hallenserinnen Solingen-Gräfrath nach zwischenzeitlicher Neun-Tore-Führung noch einmal auf vier Treffer herankommen. „Wir schaffen es noch nicht, unsere Qualität konstant auf die Platte zu bringen“, sagt Lütke. „Gerade gegen Mannschaften, die nicht so spielstark sind, lassen wir uns einlullen.“

Ein Lernprozess sei das. So sieht es Lütke. „Wir sind noch ein sehr junges Team, zwei Drittel sind unter 25 Jahren“, sagt die Spielmacherin. „Die Jungen präsentieren sich super, aber erst mit der Erfahrung lernst du die Konstanz.“ Die Ausschläge der Jungen auszubalancieren, das Team auch in schwachen Phasen auf Kurs zu halten, das sieht die neue Kapitänin als ihre Aufgabe. Auch wenn sie ihr Temperament dafür nun unterdrücken muss.

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung von Fabian Wölfling

Bilder: Michael Vogel