Der Weg über das Treppenhaus durch den Umkleidebereich war Helena Mikkelsen zu weit. Also kletterte die Rückraumspielerin der Wildcats kurzerhand auf die Auswechselstühle, dann die Wand zu den Zuschauerrängen hinauf und schließlich über das Eisengeländer, um Papa Ulrik in die Arme zu fallen. Der war wieder einmal aus Dänemark angereist, um seiner Tochter moralischen Beistand zu geben. Und er sollte seine weite 650 Kilometer lange Reise nicht bereuen.

Helena Mikkelsen war nicht nur wegen ihrer elf Tore die überragende Spielerin von Union Halle-Neustadt beim 35:29 (17:14)-Erfolg über Erstliga-Absteiger DJK/MJC Trier. „Sie war nach dem zeitigen Ausfall von Pia Dietz auch ein stabiler Faktor in unserer Abwehr. Sie hat heute eine fantastische Leistung abgeliefert“, lobte Trainer Jörgen Gluver. Am Strahlen in ihrem Gesicht war auch der ansonsten sehr selbstkritischen Helena Mikkelsen anzusehen, dass sie mit sich zufrieden war. „Freude und Schock sitzen heute aber nahe beieinander“, sagte sie. „Hoffentlich hat sich Pia nicht so schwer verletzt. Der Sieg war für sie.“

Die Wildcats kamen nur schwer in die Partie und lagen 3:5 (9.) zurück, als Pia Dietz zum Sprungwurf ansetzte und sich beim Aufkommen auf dem Boden das linke Knie verdrehte. Das Aus nach neun Minuten für eine der beständigsten Spielerinnen der letzten Wochen. Selbst Teamarzt Lars Irlenbusch, der von der Tribüne auf das Parkett eilte, schwante nichts Gutes: „Genaueres wird ein MRT am Montag oder Dienstag ergeben. Aber die Stelle, an der sie Schmerzen signalisiert hat, ist schon kritisch.“

Der Ausfall ihrer Partnerin im Mittelblock der Abwehr muss im Kopf von Helena Mikkelsen irgendein Signal ausgelöst haben. Mit zwei urgewaltigen Würfen aus zehn Metern zum 5:6 brachte sie die Wildcats heran. Danach machte sie gemeinsam mit Martyna Rupp das Abwehrzentrum dicht. Und als Eileen Uhlig und Elisa Möschter nach drei verworfenen Strafwürfen mit ihrem Latein am Ende waren, übernahm Mikkelsen auch diesen Job – mit hundertprozentiger Ausbeute bei vier Versuchen.

„Bei Helena ist entscheidend, wie sie in ein Spiel hineinkommt. Verschießt sie die ersten zwei, drei Bälle, wird es schwierig. Sitzen die, dann läuft sie zu Hochform auf“, versuchte Gluver eine Erklärung des Phänomens Mikkelsen. Aber er sagte auch über seine Landsfrau: „Sie ist erst 19 Jahre alt. Und sie hat heute Verantwortung in einer ganz schwierigen Situation übernommen. Ich bin mir sicher, dass das keine Eintagsfliege bleiben wird.“ (mz)

Union: Voigt, Sirlinger; J. Hummel 4, St. Hummel 5, Möschter 3, Smit 4, Heimburg, Jäger 2, Uhlig 1, Rupp 5, Mikkelsen 11/4

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung

Bilder zum Spiel von Thomas Zober