Dass Halle eine Vielzahl an erfolgreichen Sport-Teams besitzt, ist mir nicht zuletzt seit der Wahl zum Sportler des Jahres bekannt. Als sportinteressierter Fast-Hallenser versuche ich gelegentlich, mir einige dieser Teams live und in Aktion anzusehen. An Spiele der Fußballer vom Halleschen FC oder der Eishockeyspieler von den Saale Bulls konnte ich bereits Häkchen setzen. Am Samstag, den 28. Februar 2015, bekomme ich nun die Möglichkeit, mir die Atmosphäre eines Heimspiels der Handballerinnen von den Wildcats einmal genauer anzusehen – nicht als einfacher Zuschauer, sondern aus der Position des Hallensprechers Sebastian Sell-Römer, der mich zu einer Besichtigung seines Arbeitsplatzes eingeladen hat. Dieser „Arbeitsplatz“ ist nun keine eigene Sprecherkabine, wie man sie von den Fernsehübertragungen aus den großen Hallen und Stadien dieser Welt kennt – obwohl die noch junge Erdgas-Sportarena ziemlich modern und groß ist, wird hier für Zeitnahme und Moderator ganz klassisch auf Tische am Spielfeldrand zurückgegriffen, auf denen die benötigte Technik Platz findet.

Ich bin also hautnah am Geschehen dran – im wahrsten Sinne des Wortes! Nicht selten werde ich mich an diesem Nachmittag vor den kleinen, klebrigen Bällen ducken müssen, die mir während der Aufwärmphase und des Spiels um die Ohren fliegen. „Augen immer auf den Ball!“, ist die erste Regel, die ich lerne. Während sich die Spielerinnen von SV Union Halle-Neustadt noch ein wenig mit Fußball, kleinen Laufübungen oder anderen Spielchen lockern, werden am Hallensprecher-Tisch noch einige Kabel verlegt und die letzten Geräte angeschlossen. Musik beschallt nun die noch nahezu leeren Ränge. Plötzlich tritt Ruhe ein, außer einem leisen Summen gibt der Laptop keinen Ton mehr von sich. „Das kann eben auch ab und an passieren“, sagt Sebastian Sell-Römer und versucht rasch, den Fehler des Computers zu beheben. Mich beschleicht die Befürchtung, dass der kleine Zwischenfall an mir liegen könnte, denn egal wo ich auftauche – sobald ich neben irgendwelchen Gerätschaften stehe, versagt die Technik! Diesmal ist der Ausfall zum Glück nur von kurzer Dauer und schon bald darauf können die Handballerinnen ihr Aufwärmprogramm zu flotter Musik abspulen. Ablenken lassen sie sich davon aber nicht, in den Gesichtern der Wildcats ist höchste Konzentration zu erkennen. Diese ist auch wichtig, schließlich liegen die Damen vom SV Union Halle-Neustadt punktgleich nur einen Platz hinter ihrem heutigen Gegner, dem TV Nellingen, auf Rang 7 der Tabelle. Mit einem Sieg haben die Hallenserinnen die Chance, den 6. Platz in der 2. Handball-Bundesliga der Damen zu erobern. Das Auswärtsspiel bei den Schwaben Hornets vom TV Nellingen hatten die Wildcats verloren, im Pokal aber konnten sie in dieser Saison auch schon einen Sieg gegen die Damen aus Baden-Württemberg einfahren. In den letzten Minuten vor dem Anpfiff füllt sich die Halle noch einmal. Zuschauer aller Altersgruppen nehmen auf den Tribünen Platz, ausgestattet mit bunten Klatschpappen. Am gegenüberliegenden Spielfeldrand werden Trommeln aufgestellt. Was ich vermute, beweist mir Sebastian Sell-Römer kurze Zeit später, als er die Fans zum Heimpiel des SV Union Halle-Neustadt begrüßt – es wird laut in der Halle, denn die nun anwesenden 620 Zuschauer sind bester Laune. Wie es sich für ein Spiel der 2. Liga gehört, wird der Einmarsch der Teams groß gefeiert. Auf einer Leinwand über einem der Tore werden Bilder der Spielerinnen der Wildcats angezeigt, während diese mit den Einlaufkindern vom Nachwuchs des TSV Elbe Aken 1863 an der Hand die Arena betreten.

Auch die Spielerinnen der Schwaben Hornets bekommen einen fairen Applaus.
Die letzten Ansagen, ein letztes Abklatschen – Anpfiff! Was dann folgt, ist ein spannendes Spiel, bei dem es Schlag auf Schlag geht. Ohne Pause fallen Tore, aus Sicht eines Hallensers glücklicherweise stets mehr für die Wildcats. Ich bewundere Moderator Sebastian dafür, wie er es schafft, ein Tor anzusagen, dabei die Rückennumer der Spielerin zu erkennen, die es geworfen hat, ihren Namen zu nennen, dann in eine Liste einzutragen, das wievielte Tor der Dame es im Spiel war und rechtzeitig wieder aufmerksam zu sein, wenn das nächste Tor fällt. Hinzu kommen noch das Einspielen von Musik vor jedem Siebenmeter sowie in jeder längeren Unterbrechung und die Motivationsrufe an das hallesche Publikum, ihr Team fleißig
anzufeuern. Immerhin braucht er das Publikum nicht lange bitten, die Fans der
Wildcats klatschen im Takt der Trommeln, bejubeln lautstark jede gute Aktion des SV Union und lassen die Erdgas-Arena bei jedem Tor beben. Fairerweise muss ich sagen, dass sich auch die wenigen mitgereisten Fans des TV Nellingen große Mühe mit den Anfeuerungsrufen an ihr Team geben. Und selbst in den beiden Auszeiten kurz vor Ende der ersten Halbzeit bricht die Stimmung in der Halle nicht ab. Dafür sorgen auch die Wild Fire Angels – die Nachwuchs-Cheerleader des SG 67 Halle-Neustadt. Mit kleinen Choreografien unterhalten sie das Publikum während der Unterbrechungen. Wenige Minuten später verabschieden sich die Wildcats mit einer Führung nach der ersten Hälfte in die Kabine.

Mit dem Pfiff zur Halbzeit bin ich bereits völlig erschöpft, aber begeistert. Ich hätte nie gedacht, dass es so anstrengend wird, wenn man dem Spiel mit größter Konzentration folgt und zudem noch die Zuschauer ansprechen muss. Und dabei habe ich nur versucht, mich in die Lage des Hallensprechers zu versetzen – ich muss nicht selbst am Mikro sitzen. Noch dazu bin ich sehr erstaunt, wie laut und durchgehend gut die Stimmung in der Arena ist. Ich gebe zu, dass ich das von einem Spiel mit 620 Zuschauern nicht unbedingt erwartet hätte. Und auch vor der Leistung der Handballerinnen auf dem Feld habe ich großen Respekt. Schon oft musste ich mir als Fußballer von meinen Freunden anhören, wie viel härter und körperlicher Handball doch im Vergleich zum Fußball sei. Ob es beim Handball nun wirklich viel härter zur Sache geht als beim Fußball, ist eine Diskussion, die wahrscheinlich nicht enden wird. Ich muss aber sagen, dass die Damen ohne Berührungsängste spielen. Da wird geblockt, geklammert und geschubst, was das Zeug hält und nicht immer pfeift der Schiedsrichter. Allmählich wird mir klar, weshalb die Spielerinnen alle Bandagen, Tape oder Pflaster tragen – Handball ist auf jeden Fall nicht ohne.

Die Halbzeitpause gibt den Teams Zeit, sich kurz zu erholen und den Zuschauern die Möglichkeit, sich zu verpflegen. Auch Sebastian Sell-Römer weiß die Pause zu nutzen, um auf wichtige Aktionen des SV Union Halle-Neustadt hinzuweisen. Das Spiel gegen die Hornets steht unter dem Motto “Unsere Kinder sind unschlagbar”. Die Verantwortlichen der Kampagne setzen sich für mehr Zivilcourage und gegen Kindesmissbrauch ein. Es ist ein Familienticket für zwölf Euro verkauft worden. Zwei Euro vom Ticketpreis gehen nun direkt an die Aktion Schutzpfeife. „Unschlagbare Kinder“ gibt es in der Halbzeitpause auch auf dem Spielfeld zu sehen. Wo wenige Minuten zuvor noch Sport der (zweit)höchsten Klasse geboten wurde, tummelt sich nun der Vereinsnachwuchs und zeigt, was er kann. Ein Handball-Spiel ist eben etwas für die ganze Familie! Zum Beginn der zweiten Halbzeit verlassen die kleinen Sportlerinnen und Sportler das Feld wieder wie selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich setzen die Fans der Wildcats ihre Anfeuerungsrufe in der zweiten Halbzeit fort und auch die jungen Cheerleader geben am Spielfeldrand ordentlich Gas! Doch die Bemühungen des Publikums scheinen zunächst nichts zu bewirken. Die Handballerinnen des SV Union kommen zwar wach aus der Kabine, doch schon bald lassen sie sich das Spiel aus der Hand nehmen. Dem TV Nellingen gelingt es erstmals in diesem Spiel, die Führung zu übernehmen. Bald darauf aber kämpfen sich die Wildcats zurück ins Spiel und gewinnen nach einer starken Schlussphase noch deutlich mit 33 zu 28 Toren, was ihnen den 6. Tabellenplatz einbringt. Nach Abpfiff wird bei den Hallenserinnen der Sieg gefeiert, sie drehen eine Ehrenrunde durch die Halle und bedanken sich bei ihren Fans für die Unterstützung. Auch die jungen Mädchen der Wild Fire Angels bekommen ihren verdienten Applaus. Sebastian Sell-Römer verabschiedet die Fans mit Hinweisen auf das nächste Heimspiel und räumt schließlich seinen Arbeitsplatz, während die Spielerinnen beider Teams noch auslaufen und kleine Lockerungsübungen machen.

Ich fahre mit einer Überflutung an Eindrücken nach Hause. Die Wildcats haben eine tolle Leistung gezeigt, die Zuschauer haben eine großartige Stimmung gemacht und ich bin beeindruckt von den Multi-Tasking-Fähigkeiten des Hallensprechers. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal bei Sebastian Sell-Römer für die Einladung an seinen Arbeitsplatz bedanken, es war eine tolle Erfahrung. Ein Spiel der Wildcats sollten alle Sportfans der Stadt Halle einmal besucht haben, denn in der Erdgas-Sportarena bekommt man großen Sport, fantastische Stimmung, aber auch ein Herz für die gute Sache geboten.

Redaktion: Josefine Schenk

Der Artikel ist auch im Magazin vom Stadtsportbund Halle (Hal-Sport) nachzulesen.