Die neue Erdgas Arena in Neustadt erhebt sich dieser Tage wie ein dunkler Schatten aus dem Nichts. Die Außenbeleuchtung der Halle ist zwischen den Feiertagen auf ein Minimum zurückgefahren. Nur von innen schimmert das Licht ganz unscheinbar nach draußen.

Doch drinnen ist Bewegung. Und was für welche. Jörgen Gluver scheucht seine Handballerinnen über die Spielfläche, als gehe es in wenigen Tagen um Alles oder Nichts. Dabei steht den Wildcats am Sonnabend beim Erstligisten Füchse Berlin mit dem DHB-Pokalviertelfinale das psychologisch wahrscheinlich leichteste Spiel des Jahres ins Haus. „Die Mädchen sollen das genießen. Wir haben nichts zu verlieren, sind aber auch nicht chancenlos“, sagt der dänische Trainer des Zweitligisten Union Halle-Neustadt. Gluver machte über Weihnachten eine kurze Stippvisite in die Heimat. „Doch auch dort habe ich mir an jedem Tag im Internet mindestens ein Video der Berlinerinnen angesehen“, sagt er. Seit Montag läuft nun die praktische Vorbereitung. „Wir ziehen durch. Am Silvestertag müssen die Mädchen eine Einheit im Kraftraum schieben. Sie wollen Profis sein, also behandle ich sie auch so“, sagt er. Gluver ist ein Handball-Arbeiter, der sein Handwerk versteht. Ein Trainer, der mit leisen Tönen genau so gut zu arbeiten weiß wie mit lauten. Er ist im Sommer zum zweiten Mal nach den Spielzeiten 2005/06 und 2006/07 bei Union angetreten, um der Mannschaft ein neues Spielsystem einzuimpfen. Mit einer gesunden Mischung aus schneller, beweglicher und variabler Abwehrarbeit sowie Power-Handball im Angriff sollen möglichst im nächsten Spieljahr der Aufstieg und dann das Überleben in der ersten Liga möglich sein.

Doch es gab nicht wenige Anhänger, die Gluver bei seinem Comeback ein Scheitern prophezeiten. Doch der 54 Jahre alte ehemalige Weltklasse-Kreisläufer plante auf diesem Weg von vornherein Bruchlandungen ein. In seinen vielen Jahren als A-Juniorentrainer und Leiter des Nachwuchsleistungszentrums beim dänischen Vorzeigeverein Viborg HK weiß Gluver, wie man vor allem mit jungen Spielerinnen arbeiten muss. „Handballerinnen erreichen mit 24 bis 26 Jahren ihren Leistungshöhepunkt. Meine Mannschaft hat ein Durchschnittsalter von gerade einmal 22 Jahren. Da gibt es Höhen und Tiefen. Da steckt aber auch sehr viel Potenzial drin“, sagt Gluver.Und weil er auf genau dieses Potenzial vertraute, wurde der Wildcats-Coach auch nicht unruhig, als sich sein Team nach sieben Spielen und nur zwei Siegen auf Abstiegsplatz zwölf wiederfand. Doch mit leichten Korrekturen brachte Gluver die Mannschaft in die Erfolgsspur zurück. Er verpasste der zu offensiven Abwehr eine etwas defensivere Order – und schon lief es.

Das Ergebnis waren sechs Siege in Folge in Pokal und Liga. „Die Mädels haben im Moment so richtig Spaß am Handball“, sagt Gluver. „Von Erfolg zu Erfolg wurden sie selbstbewusster, es kamen immer mehr Zuschauer in die Halle. Und nun wollen uns sogar 150 Fans nach Berlin begleiten. Das ist der Lohn für harte Arbeit.“ Tatsächlich haben die Wildcats nach den Anfangsschwierigkeiten unter Gluver den Umschwung geschafft. Und weil das so ist, erscheint auch der Angriff auf den Aufstieg in der kommenden Saison auf einmal nicht mehr so unrealistisch. Zumal Gluver den bereits ganz konkret plant. Mit der Linkshänderin Helena Mikkelsen (19) und Kreisläuferin Signe Hald (20) kommen im Sommer zwei Verstärkungen aus Viborg. Drei Torhüterinnen und 15 Feldspielerinnen soll der neue Kader haben. „Ich glaube, dass wir alle Spielerinnen halten können“, sagt Gluver. Doch er stellt auch klar: „Wer sich bis Ende Januar nicht bekennt, kann gehen. Ich bin gut vernetzt, habe Alternativen.“ (mz)

Mitteldeutsche Zeitung