Es geht ans Eingemachte. Tanja Logvin weiß das aus Erfahrung. Mehr als 15 Jahre lang ist sie schließlich selbst hin und wieder zwischen den Hütchen auf dem Parkett hin- und hergeflitzt, während die Zeitvorgaben vom Trainer immer kürzer werden. So lange, bis schließlich die Beine versagen und nur noch das Herz rennt.

Pendellauf heißt der in Handballkreisen wahrscheinlich ziemlich verhasste Test. Er offenbart, wie es um die Kondition bestellt ist. Und er zeigt, wer bereit ist, sich zu quälen. Wohl auch deshalb hat Unions neue Trainerin ihn am Montagabend, dem Tag eins ihres Halle-Engagements, in der Neustädter Erdgas Arena anberaumt. „Ich denke, niemand hat im Urlaub die Zügel schleifen lassen“, sagt die Handball-Expertin anschließend über ihre Schützlinge, während ein verlegenes Lächeln über ihr bis dahin angespanntes Gesicht huscht.

Auch für die 43-Jährige scheint es ein Lernprozess, die Messlatte auf die richtige Höhe zu legen. Trotz allen Ehrgeizes, der ihr schon als Spielerin zu einer unglaublichen Vita verholfen hat. Denn Tanja Logvin hat die Champions League gewonnen und den Europapokal. Mit ihrer Wahlheimat Österreich erkämpfte die in der Sowjetunion geborene Ukrainerin 1999 WM-Bronze. Dazu kommen Titelgewinne und Pokalsiege in Österreich, Slowenien und Dänemark. Zweimal stand sie auf der Kandidatenliste für die Wahl zur Welthandballerin des Jahres.

Mit psychologischem Geschick

Nun also will sie als Trainerin durchstarten. Erste Erfahrungen hat Tanja Logvin in Dänemark gesammelt. Nach einem kurzen Intermezzo beim nichtaufstiegswilligen Zweitliga-Dominator Buchholz-Rosengarten Anfang des Jahres und ihrem Feuerwehr-Einsatz beim zwischenzeitlich trainerlosen Erstligisten Neckarsulmer Sport-Union stellt sie sich nun bei Union Halle-Neustadt einer neuen Herausforderung. Sie will den Aufsteiger dazu befähigen, in der Eliteliga mithalten zu können.

Dafür muss – natürlich – überall noch einiges draufgepackt werden. Konditionell. Physisch. Technisch-taktisch. Doch zu schnell zu viel zu wollen, das weiß Tanja Logvin, könnte nach hinten losgehen. Psychologisches Geschick ist also gefragt. „Natürlich gibt es viel zu tun“, weiß die einstige Weltklassespielerin um die Schwere der Aufgabe. Der Wechsel von der zweiten in die erste Liga sei ein gewaltiger Schritt. Doch die Mannschaft habe Potenzial. Das war einer der Gründe, warum sie sich für ein Engagement in Halle entschieden hat. Beeindruckt hat sie auch die so engagierte Vereinsführung. „Die Menschen hier leben Handball“, findet Tanja Logvin. Was sie den Spielerinnen hoch anrechnet: ihren unbändigen Willen. „Sie haben diesen Aufstieg mit aller Macht gewollt und so dafür gekämpft“, lobt sie die Leidenschaft der Wildcats. Tanja Logvin ist sich sicher: „Du kannst Talent haben, doch ohne Willen erreichst du trotzdem nichts. Wenn du aber den Willen hast, dann kannst du dir auch ohne Talent sehr, sehr viel erarbeiten.“

Tanja Logvin hatte zu ihrer Aktivenzeit unumstritten beides: Talent und Willen. Und sie hatte einen, wie sie selbst sagt, hervorragenden Mentor. Vom Trainer und Manager des Erfolgsklubs Hypo Niederösterreich, Gunnar Prokop, hat sie sich sehr viel abgeschaut. Zum Beispiel? „Zielbeherrschtheit“, nennt Tanja Logvin eine ihrer Eigenschaften. Und sie bezeichnet sich als grundsätzlich optimistisch. Dazu geduldig. Aber auch fordernd. Man müsse immer versuchen, 100 Prozent zu geben. „Natürlich kannst du auch einmal einen schlechten Tag haben, aber dann musst du dir das eben eingestehen.“ Sich irgendwie durchzuwursteln, das wird es bei ihr nicht geben.

Hartes Vorab-Programm

Was es dafür ganz sicher geben wird: Zweimal Training am Tag. „Während unseres Trainingslagers vor dem Saisonstart werden es sogar drei Einheiten sein“, spricht Tanja Logvin von einem harten Vorbereitungsprogramm. Damit sie die Zeit bis zum Eröffnungsspiel in Liga eins – am 8. September geht es los gegen den VfL Oldenburg, also jenem Verein, bei dem ihre älteste Tochter Kristina angeheuert hat – effektiv nutzen kann, bekommt Tanja Logvin volle Rückendeckung von ihrem Lebensgefährten. Der Holländer Gerhard Husers, ein international tätiger Spielerberater, ist auch in Halle an der Seite seiner Frau. Er will sich mit um den jüngsten Familiennachwuchs kümmern, die vier Jahre alte Tochter und den dreijährigen Sohn. Die beiden sollen bald in eine Kindereinrichtung der Stadt gehen. Eine Wohnung haben die Logvin-Husers bereits gefunden.

Und wie steht es mit dem hauseigenen Sportprogramm? Das ist für Tanja Logvin offenbar weiterhin Pflicht. Auch wenn sie bei dem Pendellauf diesmal nur zugeschaut hat, zweifelt wohl kaum jemand an, dass sie noch immer Topwerte bringen würde.

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung von Petra Szag

Foto: Schulz