Bianka Eckardt blickte kurz flehend nach oben. 30:25 führten ihre Wildcats im Handball-Zweitliga-Spiel gegen den Aufstiegsfavoriten Füchse Berlin. Elf Minuten waren noch zu spielen. Zeit also, um höheren Beistand zu erbitten: „Lieber Gott, lass uns jetzt nicht einbrechen“, murmelte sie. Die Trainerin wurde erhört, auch wenn ihre Spielerinnen am Sonnabend in der mit 400 Zuschauern proppenvollen Unihalle überhaupt keine Hilfe von oben brauchten. Viel zu souverän präsentierte sich das Team beim 33:29 (14:18)-Erfolg im Spiel eins nach der Entlassung des bisherigen Cheftrainers Michal Lukacin.

Dessen Nachfolgerin hatte alles richtig gemacht. Und zwar vom ersten Tag an. Da nämlich hatte sie der Anruf ihres ehemaligen Chefs Jörgen Gluver erreicht. „Glückwunsch zum Cheftrainer“, hatte der Däne gesagt. Und Eckardt wiederum ergriff gleich die Chance. Von 2005 bis 2007 hatten die beiden zusammen bei Union gearbeitet, Gluver war Cheftrainer der Wildcats, Eckardt seine Assistentin. Also tauschten sie sich nun wieder aus. Denn der heute 53 Jahre alte Däne ist ein erfahrener Coach. „Wir haben über das Krafttraining gesprochen und über taktische Details“, verriet Eckardt.

Nur logisch, dass Gluver der Einladung seiner ehemaligen Assistentin zum ersten Spiel als Cheftrainerin folgte und die Umsetzung des verabredeten Plans von der Tribüne aus verfolgte. Genau oberhalb der halleschen Wechselbank entging ihm also nichts. „Bianka hat die Truppe toll eingestellt. Hier geht heute was“, sagte er bereits zur Halbzeit. Offenbar hatte er etwas gesehen, was ihn trotz des Vier-Tore-Rückstandes zuversichtlich stimmte. „Wir hatten beide die gleichen Defizite erkannt“, erklärte Eckardt später. „In der Abwehr aggressiver zupacken und im Angriff in die Lücken gehen.“ Und tatsächlich fand Bianka Eckardt in der Pause die richtigen Worte, um eine völlig ungeahnte Wende herbeizuführen. Neben den taktischen Hinweisen habe sie der Mannschaft vor allem vermittelt, dass dieses Spiel noch lange nicht verloren sei, erklärte Rückraumspielerin Monic Burde. Was folgte, war eine große Handball-Show der Gastgeberinnen. Burde und vor allem Jacqueline Hummel – beide hatten in der ersten Halbzeit nicht einmal getroffen – waren dafür verantwortlich, dass es bis zum 19:19-Ausgleich nur vier, bis zur ersten Führung beim 21:20 nur acht Minuten brauchte.

Es war ein in dieser Form lange nicht erlebter Sturmlauf völlig entfesselt aufspielender Wildcats. Dank der 22 Paraden einer vor allem in der zweiten Halbzeit überragenden Patrycja Mikszto im Tor drohte den Hauptstädterinnen beim 33:25 sogar ein Debakel, ehe die Wildcats im Gefühl des sicheren Sieges einen Gang runterschalteten. „Ich habe mir vier Spiele der Berlinerinnen angesehen und wusste, dass wir eine Chance haben, wenn wir zur Pause noch dran sind. Dass die Mannschaft aber zu solch einer Steigerung fähig ist, hätte ich auch nicht geglaubt“, sagte Eckardt.

Union: Mikszto, Voigt; J. Hummel 7/1, St. Hummel 3, Möschter 3, Michel, Burde 4, Jäger 3, Uhlig 10/7, Stuparicova 2

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung vom 20. Januar 2013